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Wirtschaftspolitik

Die Gutscheinregelung ist fragwürdig

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung, Ticketinhaber mit Gutscheinen statt mit Erstattungen abzuspeisen, ist unausgewogen, wenig effektiv und kurzsichtig. Stattdessen sollten notleidende Anbieter direkte Unterstützung erhalten und die Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden.

Um Reiseanbieter, Konzertveranstalter, Musikschulen usw. vor Rückzahlungen zu schützen, die sie in die Zahlungsunfähigkeit treiben könnten, strebt die Bundesregierung eine Gutscheinregelung an. Demnach sollen betroffene Anbieter anstelle eine Erstattung einen Gutschein ausstellen können, der für gleiche oder andere Leistungen des betreffenden Anbieters eingelöst werden kann. Wer den Gutschein bis Ende 2021 nicht eingelöst hat, hat danach einen Anspruch auf Erstattung des Geldes. Wem die Vorenthaltung der Erstattung „angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist“, soll auch schon vorher Anspruch auf Erstattung haben.

Das Anliegen, die betroffenen Anbieter vor Illiquidität zu schützen, ist fraglos berechtigt. Die vorgeschlagene Regelung ist aber aus mehreren Gründen verfehlt:

  1. Anstatt die Lasten der Krise nach einem prinzipiengeleiteten Verfahren fair umzulegen, werden willkürlich die Inhaber von Konzerttickets oder von Abos von Fitnessstudios als Kreditgeber verpflichtet, und zwar weitgehend unabhängig von Ihrer finanziellen Belastbarkeit.
  2. Es ist zwar eine Ausnahmereglung für Härtefälle z.B. für solche Menschen vorgesehen, deren Einkommen in der Krise weggebrochen ist, aber diese Regelung dürfte für alle Betroffenen extrem aufwändig und streitanfällig sein. Zudem kann sie Anspruchsberechtigte vor das moralische Dilemma stellen, entweder auf der Auszahlung zu bestehen und damit den Ruin des Anbieters wahrscheinlicher werden zu lassen, oder aber darauf zu verzichten und selber an die finanzielle Belastungsgrenze zu kommen.
  3. Die Regelung verschiebt die Finanzsorgen der Anbieter lediglich in die Zukunft. Wenn die Gutscheine in einigen Monaten eingelöst werden, fehlen dann eben zu dem Zeitpunkt die entsprechenden Einnahmen. Wenn ab 2022 Gutscheine massenweise ausgezahlt werden müssen, entstehen dann eben Liquiditätsprobleme. Es ist zwar durchaus eine gewisse Entlastung für die betroffenen Anbieter, wenn sich diese Einnahmeausfälle bzw. Erstattungen auf einen längeren Zeitraum verteilen, aber bei Anbietern mit einem beträchtlichen Corona-bedingten Defizit wird das zu wenig sein, um eine finanzielle Notlage abzuwenden.

Viel besser und konsequenter wäre es, den bestehenden Erstattungsanspruch der Ticketinhaber unangetastet zu lassen und zur Unterstützung der Anbieter diese mit öffentlichen Transferleistungen (also nicht nur mit Darlehen) so umfangreich zu unterstützen, dass sie nicht nur für die nächsten zwei Jahre liquide, sondern auf Dauer solvent bleiben. Das dafür erforderliche Geld könnte ohne weiteres durch eine progressive Sondersteuer auf Einkommen und Gewinne erhoben werden (oder evtl. auch durch eine in Teilen auf Spenden basierende Beteiligung, wie ich in einem anderen Beitrag ausgeführt habe). So wäre eine viel wirksamere Unterstützung der betroffenen Anbieter und eine faire Lastenteilung sichergestellt.

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